Kräfteverschiebung im reformierten Kirchenparlament
Nach den Neuwahlen im Frühling traf sich die reformierte Kirchensynode am 3. Oktober in neuer Besetzung zur konstituierenden Versammlung. Die Liberale und die Evangelisch-kirchliche Fraktion haben an Stärke zugelegt.
Die Evangelisch-kirchliche Fraktion (EKF) ist im neu zusammengesetzten Kirchenparlament die Gewinnerin. Der pietistisch geprägte Flügel belegt acht Sitze mehr als in der letzten Legislatur und wird mit 32 Sitzen zweitstärkste Kraft. Mit 34 Sitzen ist die Liberale Fraktion (LB) die grösste Fraktion der kommenden Amtszeit. Auch sie konnte Sitze hinzugewinnen. Mit 28 resp. 27 Sitzen rutschten die Religiös-soziale Fraktion (RSF) und der Synodalverein (SV) auf den dritten und vierten Platz ab. Vor allem der Synodalverein ist merklich geschrumpft.
Die neugewählten Synodalen – es sind diesmal 43 – entscheiden sich jeweils erst nach der Volkswahl für eine Fraktion. Ein Synodaler des 123-köpfigen Kirchenparlaments bleibt fraktionslos. Ein Sitz ist vakant. Das Durchschnittsalter der Synodalen ist leicht gestiegen. Es beträgt neu 55,1 Jahre (2019: 54,6 Jahre). In der Kirchensynode sind zurzeit 53 Frauen (43,1%) und 70 Männer (56,9%) vertreten, was gegenüber der Erneuerungswahl von 2019 unverändert ist.
Neue Zusammensetzung auch im Kirchenrat?
Die Verschiebung der Kräfteverhältnisse in der Kirchensynode könnte auch Auswirkungen auf die Wahl des Kirchenrats am 21. November haben. Die EKF hat bereits Anspruch auf einen zweiten Sitz im Kirchenrat angemeldet. Die anderen Fraktionen wollen ihre Sitze in der Exekutive der Landeskirche allerdings behaupten und stellen weiterhin je zwei Kandidierende. Ausserdem tritt der bisherige Kirchenrat Andrea Marco Bianca ebenfalls noch einmal an, allerdings ohne die explizite Unterstützung seiner bisherigen Liberalen Fraktion.
Simone Schädler als Synodepräsidentin bestätigt
Der langjährige Willi Honegger leitete als Alterspräsident den Beginn der Sitzung und rief in seiner Eröffnungsrede die Synodalen dazu auf, ihre Meinungen auch künftig frei vorzutragen und keine Rücksicht auf Mainstream und Zeitgeist zu nehmen. Die Synodalen leisteten daraufhin das Amtsgelübde und bestätigten danach als Erstes Simone Schädler in ihrem Amt als Präsidentin der Kirchensynode. Simone Schädler leitete danach die weiteren Wahlgeschäfte. Bestätigt in ihrem Amt wurden die bisherige erste Vizepräsidentin Barbara Bussmann und der bisherige zweite Vizepräsident Michael Bänninger. Barbara von Gunten und Peter Nater wurden ins Sekretariat gewählt resp. für diese Aufgabe bestätigt.
Neue Gesichter in GPK und FiKo
Ergänzt und neu gewählt wurden auch die Mitglieder der beiden ständigen Kommission der Kirchensynode: die Geschäftsprüfungskommission (GPK) und die Finanzkommission (FiKo). Die GPK wird neu präsidiert von Nathalie Nüesch. Weitere Mitglieder sind Daniel Lavanchy, Carola Heller, Peti Gutknecht (neu), Jacqueline Sonego Mettner, Nilas Schweizer (neu) und Andreas Wildi.
In die FiKo gewählt wurden: Gerhard Hubmann, Rüdiger Birkner, Bettina Diener, Urs-Christoph Dieterle, Oliver Pierson, Roland Portmann und Simon Plüer (neu). Den Vorsitz hat neu Bettina Diener. Gewählt wurden ausserdem die Mitglieder der Rekurskommission der Landeskirche, ebenso die Abgeordneten für die Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz und die Mitglieder des Trägervereins der Zeitung «reformiert.»
Letzter Auftritt vor dem Parlament
Das Kirchenparlament würdigte an seiner Sitzung auch die Arbeit von Michel Müller, der auf Ende Jahr nach über zwölf Jahren als Kirchenratspräsident zurücktritt. Andrea Widmer Graf verdankte das prägende Engagement Müllers für die Landeskirche, namentlich im Reformprozess KirchGemeindePlus oder beim Reformationsjubiläum. Michel Müller dankte seinerseits für das Vertrauen, das ihm die Kirchensynode durch mehrere Wiederwahlen geschenkt habe. Das Präsidiumsamt sei durchaus eine machtvolle Position. Er habe die Macht in dem Sinn «genossen», als sie die Möglichkeit biete, «zu machen» und Dinge anstossen und bewegen zu können. Die Macht in der reformierten Kirche sei aber immer geteilt – und diese demokratische Machtteilung gehöre zu den wichtigsten Exportgütern der Reformierten.
Die Kirchensynode trifft sich am 21. November zur nächsten Sitzung und zur Wahl der Exekutive. Sie tagt derzeit und bis zur Beendigung der Renovationsarbeiten des Rathauses wie der Kantonsrat in der dafür umgebauten Bullingerkirche im Kreis 4 von Zürich. Ihre Versammlungen kann man jeweils per Livestream (nach-)verfolgen.
Autor
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Christian Schenk
Bereichsleitung Publizistik
Abteilung Kommunikation
Unsere Legislative
Die Kirchensynode, verhandelt nach parlamentarischen Regeln in öffentlich zugänglichen Sitzungen in der Bullinger-Kirche in Zürich. Die Kirchensynode zählt 120 Mitglieder, zuzüglich je einer Vertretung der französisch-, italienisch- und spanischsprachigen Kirchgemeinschaften. Diese vertreten die gesamte reformierte Einwohnerschaft des Kantons und werden alle vier Jahre in einer Mehrheitswahl an der Urne gewählt.