«Wir stehen den Menschen zur Seite»
«Wenn junge Leute in einer Krise kirchliche Hilfe erhalten, gehen sie deswegen vielleicht nicht regelmässig in die Kirche, aber sie nehmen wahr, wer ihnen in Not zur Seite steht.» Der zurücktretende Kirchenrat Bernhard Egg blickt zurück auf zwölf Jahre «diakonische Büez».
«Auf mein Wirken als Kirchenrat im Ressort Diakonie und Soziales blicke ich mit Freude zurück; die diakonische Büez war ausserordentlich vielseitig. Als ich im Herbst 2011 als Kirchenrat gewählt wurde, war ich zuerst einmal politischer Vertreter. Ich konnte im Gremium meine juristischen Fachkenntnisse einbringen und zur richtigen Zeit die richtigen Fragen stellen. Als Kantonsrat und Kantonsratspräsident (2012/13) wusste ich, wie man sich in einem Parlament verhält, wie man innerhalb der Fraktion agiert und wie politische Debatten verlaufen.
Der Bereich «Diakonie und Soziales» war mir zunächst fremd, eröffnete mir aber eine spannende Welt. Zum Ressort gehören unterschiedlichste Bereiche, unter anderem die kirchliche Fachstelle bei Arbeitslosigkeit DFA, die Lehrlingsberatung kabel, Migrationsthemen und der Asylbereich sowie die Inklusion. In den jeweiligen Steuerungsgruppen bin ich nicht operativ tätig, vermittle aber als Kirchenrat Wertschätzung und Unterstützung. Unsere ökumenische Zusammenarbeit funktioniert dabei ausgezeichnet.
Die Arbeitslosen- und die Lehrlingsberatung haben sich unter kompetenter Leitung hervorragend entwickelt. Diese Angebote sind für die Kirche mindestens ebenso wichtig wie die Verkündigung und müssten darum noch mehr Bekanntheit erlangen. Wenn junge Leute in einer Krise kirchliche Hilfe erhalten, gehen sie deswegen vielleicht nicht regelmässig in die Kirche, aber sie nehmen wahr, wer ihnen in Not zur Seite steht.
Fusionen begleitet
Ein grosses Projekt bildete der Fusionsprozess «KirchGemeindePlus», hinter dem ich von Anfang an stand und den wir mit dem Gesamtkirchenrat stark vorangetrieben haben. Bevor es mit den Zusammenschlüssen offiziell losging, war ich der Erste, der zwei Kirchgemeinden vereinen half und eine neue Kirchgemeindeordnung aufsetzte. Als externer Berater unterstützte ich die Vereinigung der Kirchgemeinden Altikon und Thalheim. Innert weniger Jahre wurde dann aus sechs Kirchgemeinden im Thurtal eine einzige.
Im Rückblick zeigt sich, dass die Fusionen richtig und nötig waren, da die zuvor sehr kleinen Kirchgemeinden ihre Kirchenpflegen heute kaum mehr besetzen könnten. Nun ist aber eine Konsolidierung angezeigt. Die fusionierten Kirchgemeinden brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Welche Veränderungen künftig auf kleinere Kirchgemeinden zukommen werden, kann ich nicht sagen, aber je nach Mitgliederentwicklung kann es dramatisch werden.
Kirche ist ein Lichtblick
Bei aller Freude über die Aktivitäten und Angebote der Kirche bin ich besorgt darüber, dass uns die Menschen trotz aller Anstrengungen davonlaufen. Häufig werden bei Austritten auch finanzielle Gründe geltend gemacht. Dabei zahlen die meisten Steuerzahlerinnen und -zahler meines Erachtens tragbare Beträge.
Angesichts aller Herausforderungen erscheint es mir wichtig, die Sozialdiakonie nicht zu vernachlässigen. Die Kirche hat die vorrangige Aufgabe, zu den Menschen gut zu schauen. Wenn ich mich frage, welche Welt meine zweijährige Enkelin als Erwachsene antreffen wird, wird mir bange, aber die Kirche ist mir Lichtblick, ein stabilisierendes, Halt gebendes Element.»
Aufgezeichnet von: Madeleine Stäubli-Roduner
Hilfe bei Jobverlust
Obwohl Sozialversicherungen und Sozialhilfe in unserem Land gut ausgebaut sind, nimmt die seelische, soziale und materielle Not von erwerbslosen Menschen in unserem Land zu. Die kirchlichen Fachstellen begleiten und unterstützen Arbeitslose.