Der Verwandlungskünstler

Heute Tanzpalast, morgen Konzertsaal und immer offen für Neues – ein Sigrist verwandelt die Citykirche fast täglich. Bühne frei für Andreas Hofmann.

An diesem Abend ist der «Offene St. Jakob» so, wie sein Name es verspricht: sperrangelweit offen und leergeräumt wie ein Turnsaal in den Sommerferien. Andreas Hofmann mag sie genau so: eine Kirche, die Raum lässt wie kaum eine andere, die nicht mit Bänken zugesperrt ist, ein wunderbarer Klangkörper auch, schwärmt der Sigrist und führt mit seiner Stimme gleich die Akustik des weiten Raumes vor.

Der dunkle Eichenboden ist geölt und glänzt. Man möchte die Schuhe ausziehen und spüren, wie gut es gleitet. Man möchte ein paar Takte singen, um zu hören, wie es klingt. Beides ist möglich: Heute Abend zum Beispiel wird hier getanzt in verschiedenen Rhythmen mit «Wildheit und Leidenschaft», wie es in der Ausschreibung heisst.

Sigrist und Gastgeber Andreas Hofmann in der Citykirche am Stauffacher in Zürich.

300 Stühle schleppen

Auch DJs legen im Kirchengebäude regelmäs­sig auf. Dann wiederum wird am nächsten Morgen klassisch Gottesdienst gefeiert, oder ein Chor oder Symphonieorchester lädt zum Konzert. Das heisst dann für den Sigristen: Stühle aufstellen (bis zu 300 Stück), Bühnen- und Beleuchtungsaufbau organisieren, Einlass- und Sicherheitsorganisation planen und all die Sonderwünsche berücksichtigen, die die verschiedenen Veranstalter wünschen. Einmal schon habe er einen Laufsteg montiert, dann auch mal die Bühne statt beim Chor auf der Gegenseite einrichten müssen.

Regelmässig sind auch Tische und Stühle nötig für eine riesige Schulklasse, bestehend aus Sans-Papiers und Asylsuchenden, die hier einen Morgen lang Deutsch büffeln und im Kirchgemeindehaus schlicht keinen Platz haben.

Gastgeber sein

Für diese Offenheit und diese Vielgestaltigkeit ist die Citykirche seit 30 Jahren bekannt. Und für sie brennt auch Andreas Hofmann. Der gebürtige Stuttgarter und ehemalige Druckereifachmann ist seit zehn Jahren an Bord dieses offenen Kirchenschiffs am Stauffacher und lebt und liebt die Rolle als Gastgeber – trotz oder gerade wegen des schweisstreibenden Stühlerückens und all dem Organisations­trubel, den der Sigristenjob in einer solchen Kirche mit sich bringt.

Und eben: Diese Weite des so vielseitig nutzbaren Raums hat es ihm angetan. Er sei «stolz wie Oskar» gewesen, als er bei Job-Beginn den Kirchenschlüssel erstmals in der Hand gehabt habe. Und er freue sich immer wieder, die Kirche für so viele verschiedene Gäste, Veranstalter, Musikstile und Anlässe herrichten zu dürfen. Manchmal sei es laut, lebendig und leuchtend, dann wieder werde die Kirche zu einer Oase der Ruhe. Immer wieder habe er den Raum auch ganz für sich; dann, wenn er ihn am Abend oder in der Nacht doch einmal zuschliessen muss. Und ja, dann singe auch er manchmal in die Offenheit hinein.