Wie entsteht ein Filmgottesdienst?

Predigen geht nicht nur auf der Kanzel: Die Landeskirche setzt vermehrt auf TV- und Online-Gottesdienste und entdeckt dabei neue Wege der Verkündigung.

Drehtag in Hinwil

Island-Wollpullover durch vereiste Waldwege Richtung Hinwilertobel. Mit ihr unterwegs sind zwei ebenfalls warm eingekleidete Gemeindemitglieder – und vor und hinter der Dreiergruppe hantiert Filmemacher Matthias Wolf mit der Kamera. Es ist Drehtag in Hinwil. Entstehen wird hier ein Filmgottesdienst, der später auf Tele Züri ausgestrahlt wird und auf Youtube-Kanälen online empfangen werden kann. Die Landeskirche und angefragte Kirchgemeinden produzieren seit 2021 solche Beiträge und gehen bei dieser Art von Verkündigung neue Wege: Es werden nicht einfach klassische Gottesdienste aus Kirchen abgedreht, sondern die Botschaft wird in Geschichten und bewegte Bilder verpackt und einem grösseren Publikum am Bildschirm erzählt. Der Marsch ins eisige Tobel in Hinwil ist eines dieser Filmformate, das letztes Jahr gedreht und auf Tele Züri ausgestrahlt wurde und auch jetzt noch auf Youtube auf Abruf zur Verfügung steht. Wie war es, dort vor und hinter der Kamera zu stehen?

VJ und Pfarrerin unterwegs zum Drehort

Vor der Kamera

Karin Baumgartner, im Zentrum des Filmgottesdienstes der Kirchgemeinde Hinwil stand die Suche nach dem richtigen, dem eigenen Weg. Wie entstand die Idee?

Es war für mich schnell klar, den Film in der freien Natur bei uns zu machen – auch weil die Corona-Pandemie zumindest bei der Planung noch Einschränkungen vorsah. Ansonsten war ich offen für das, was entsteht. Entwickelt haben wir das Thema zusammen mit einer Person aus der Kirchenpflege, der Organistin und engagierten Mitgliedern verschiedener Generationen und mit dem Filmteam in zwei Workshops. Schnell waren wir uns einig über die Kernbotschaft «Gott ist bei mir» auch in dunklen, ungewissen Zeiten. Dann kam uns die Idee mit Psalm 23, «Der Herr ist mein Hirte». Das passte wunderbar: Die Landschaft, von der der Psalm spricht, ein finsteres Tal, ein Tobel, das haben wir in Hinwil auch, und natürlich auch frisches Wasser.

Um das filmisch umzusetzen, haben Sie sich zusammen mit zwei Gemeindemitgliedern auf den Weg ins Hinwilertobel und auf den Bachtel gemacht. Wie war die Erfahrung vor der Kamera?
Es war spannend, den Weg zu gehen und die Situationen einzuspielen. Den Text dazu zu entwickeln, war dann ungewohnt. Bei einer Predigt entwickelt man die Bilder mit Worten. Jetzt waren die Bilder schon da – und wir sprachen den Text später zu den einzelnen Szenen. Schön war, dass nicht nur ich als Pfarrperson gefragt war, sondern die ganze Kirchgemeinde eingebunden war. Das entspricht auch dem Geist unserer Gemeinde. Kirchenchor, Kirchenmusikerinnen und Kinderchor spielten eine wichtige Rolle – sie steuerten die Filmmusik bei. 

Der Aufwand für so einen Gottesdienst war wesentlich grösser als sonst. Hat es sich gelohnt?
Wir wollten in die schwierige Zeit ein Stück Hoffnung geben. Und ich glaube, das ist uns gelungen. Die Rückmeldungen waren gut. Wir haben den Film dann auch zusammen in der Kirche angeschaut und Abendmahl gefeierti. Grundsätzlich war das Projekt ein Gewinn für die Gemeinde, neue Wege der Verkündigung auszuprobieren und dabei viele Menschen zu beteiligen. 

Pfarrerin Karin Baumgartner

Hinter der Kamera

Matthias Wolf, wie erleben Sie als Kameramann die TV-Gottesdienstaufnahmen? 

Anders als bei üblichen Fernsehgottesdiensten legen wir den Fokus auf den Film. Der Film-Gottesdienst ist eher ein Kurzfilm mit kirchlicher Botschaft. Trotzdem  soll es auf den Zuschauer eine ähnliche Wirkung haben, wie wenn man einen Gottesdienst vor Ort erlebt. Mit allen Emotionen, die das auslösen kann. Mit jeder Kirchgemeinde erarbeite ich die Botschaft, die sie übermitteln will. Und daraus dann das Konzept und das Drehbuch für die Aufnahmen. Das Resultat ist so vielfältig wie die Kirchgemeinden im Kanton. Das macht mir grosse Freude.

Worauf achten Sie bei der Kameraführung?

Ich suche eine cineastische Bildsprache. Die Bilder sollen eine starke Wirkung haben. Deshalb gehe ich mit der Kamera manchmal nah an die Menschen heran und manchmal zeige ich sie von weit weg, eingebettet in ihre Umwelt. Es geht ja bei den Film-Gottesdiensten häufig um Dinge, die sich im Inneren der Menschen abspielen. Dann müssen die Bilder diese inneren Vorgänge auch transportieren können.

Wenn man draussen filmt, ist nicht alles steuerbar. Erlebten Sie auch Überraschungen?

Beim Gottesdienst mit Hinwil beispielsweise wollten wir den Psalm 23 filmisch erlebbar machen und filmten in einem Tobel. Es war bewölkt, aber genau in dem Moment, als wir da waren, zeigte sich plötzlich die Sonne. Dadurch konnten wir Bilder drehen, in denen der Mensch durch Licht und Schatten läuft. Das hat die Stimmung der Bibelstelle, die von tiefer Verzweiflung in die Zuversicht führt, sehr gut hinübergebracht.

Wie wählen Sie Mitwirkende für Wort und Musik? 

Jede Kirchgemeinde stellt ein Team zusammen, das den Film-Gottesdienst mit mir ent­wickelt. Das können kirchliche Angestellte sein, häufig sind aber auch interessierte Freiwillige dabei. Die Musik ist ein besonderes Thema: In jedem Film-Gottesdienst ist mindestens ein Kirchenmusiker oder eine Kirchenmusikerin dabei. Manchmal kommen Solisten dazu oder ganze Ensembles. Die Musik für den Film-Gottesdienst unterscheidet sich aber stark von dem, was die Musikerinnen in Gottesdiensten vor Ort gewohnt sind. Sie soll die Stimmung der Bilder unterstützen, vertiefen. Da aber gleichzeitig im Bild etwas passiert und wir häufig dazu Worte hören und verstehen müssen, darf die Musik nicht zu sehr ablenken. In Hinwil hatten wir das Glück, dass ein Musiker Filmmusik extra für unseren Gottesdienst komponiert hat. Als wir diese Stücke mit Orgel und Harfe eingespielt haben, wurde die Emotion des Films greifbar.

VJ Matthias Wolf

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