​Gebärden zum Glauben

​Ein neues Büchlein zeigt Gebärden für hundert Begriffe aus Religion und Spiritualität. Es ist in Kirchgemeinden vielseitig einsetzbar.

​​Die Gebärde für «Jesus» drückt Liebe aus, jene für «Geborgenheit» wirkt herzerwärmend: Die 100 Zeichen zu Religion und Spiritualität, die seit Anfang Jahr als kleinformatiges Büchlein vorliegen, sind verständlich und vielseitig einsetzbar. Grundsätzlich konzipiert für den Religionsunterricht an heilpädagogischen Schulen, eignet sich die Mini-­Publikation auch für den Regelunterricht in Kirch­gemeinden, für inklusive Gottesdienste und generell für alle kirchlichen Kontexte, in denen Menschen miteinander zu tun haben.

Das Instrument wurde von einer ökumenischen Projektgruppe in Kooperation mit der Schweize­rischen Stiftung Tanne für Taubblinde bereitgestellt, um die Inklusion von kognitiv oder hörbehinderten Menschen im religiösen und spirituellen Alltag zu unterstützen. Es ist das sechste Büchlein in der Reihe «PORTA», der Schweizer Sammlung von Gebärden für die die Lautsprache unterstützende Kommunikation.

Auf Augenhöhe begegnen

Gerade Kinder und Jugendliche hätten grosse Freude, die sinnlichen Gesten zu lernen, sagt Sabine Gade, Zürcher Delegierte der projektführenden Arbeitsgemeinschaft. Junge Leute eigneten sich diese besondere Sprache als Bereicherung an und hätten sie später zur Hand, nicht nur im Umgang mit beeinträchtigten Menschen. «Auch ich persönlich mag etwa die Gebärde für Liebe, aber auch Gebärden aus dem Alltagsleben», sagt sie. Die besondere Mitteilungsart wirke wohltuend, befreiend und verbindend.

Sie ermögliche, einander auf Augenhöhe zu begegnen, den Fokus auf das Gemeinsame zu richten und ohne Kompetenzgefälle miteinander zu kommunizieren. «Dabei sind wir selbst die Bedürftigen, die ein für uns ungewohntes Werkzeug an die Hand bekommen.» Was mit Handbewegungen und Mimik dargestellt werde, sei mit dem Auge wahrnehmbar und werde zum sichtbar Verbindenden. «Das berührt unser Menschenbild, löst Spannungen und führt oft zum gemeinsamen Lachen.» Besonders gern verwende sie die schönen Handzeichen beim Singen, da Liedinhalte dadurch verstärkt und untermalt würden.

Von Advent bis Zweifel

Die Sammlung enthält zentrale Begriffe aus dem kirchlichen und zwischenmenschlichen Alltag, von «Advent» bis «Zweifel». Sie wurden innerhalb von zwei Jahren von einer interkantonalen ökumenischen Projektgruppe ausgewählt, auf Basis der Deutschschweizer Gebärdensprache in visuell einfache Gebärden übersetzt, in Videos visualisiert und als möglichst exakte Illustrationen dargestellt. Dabei zeigen Pfeile und Striche, wie einzelne Handbewegungen auszuführen sind.

Zur Projektgruppe gehörten kirchliche Zuständige für den heilpädagogischen Religionsunterricht aus mehreren Kantonen und Anita Portmann von der Stiftung Tanne. Die Stiftung hat zuvor bereits fünf Bände zu Themen wie «Zusammenleben» oder «Mensch und Natur» publiziert, welche die Grundlagen des gesamten PORTA-Vokabulars enthalten. Die neue Publikation sei für alle Interessierten konzipiert, sagt Sabine Gade, die im Kanton Zürich die Interessen von beeinträchtigten Menschen in religionspädagogischen Belangen vertritt und das Projekt von Anfang an inhaltlich begleitet und mitgetragen hat. Besonders freut sie, dass das Vorhaben von Landeskirchen, Stiftungen und Kirchgemeinden finanziell unterstützt und dadurch überhaupt ermöglicht wurde. Zudem schätzt sie die bereichernde Zusammenarbeit in den interkantonalen Gremien, von der der Kanton Zürich profitiere.

Nun engagiert sie sich dafür, das Büchlein möglichst breit bekannt zu machen und auch Pfarrpersonen, Diakoninnen, Diakone und Katechetinnen dafür zu gewinnen. Im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen hält sie fest, dass gerade Kinder in heilpädagogischen Schulen ein Recht darauf hätten, Zugang zu religiösen Inhalten zu bekommen. Dies ermögliche ihnen, selbstbestimmt am sozialen Leben teilzuhaben und über spirituelle und religiöse Themen zu kommunizieren. Die erhöhte Selbstwirksamkeit eröffne neue Zugänge zum Gegenüber.

Religionspädagogik an heilpädagogischen Schulen

Sabine Gade, Theologin und Religionslehrerin, koordiniert den religionspädagogischen Unterricht an den heilpädagogischen Schulen des Kantons. Sie initiiert und unterstützt Vorhaben, die es Kindern und Jugendlichen mit einer Beeinträchtigung ermög­lichen, am Religionsunterricht in der Kirchgemeinde teilzunehmen. In diesem Zusammenhang berät sie auch Kirchgemeinden bei inklusiven Settings im Religions- und Konfirmationsunterricht. Ihr Arbeitsbereich «Koordination Heilpäda​​gogik» gehört zur Abteilung Spezialseelsorge.

Interessierte sind eingeladen zur Einführungsveranstaltung vom 22. September in Zürich. 9 bis 13 Uhr, Hirschengraben 50. Möglichkeit zur Anmeldung folgt.

Autorin