Bettagsbotschaft 2023: «Jungen Menschen Zuversicht geben»

Denn du bist meine Hoffnung, mein Gott, meine Zuversicht von Jugend an. Ps 71,5 

Eine Krise jagt die andere – so lassen sich die gegenwärtigen Jahre zusammenfassen. Zuerst die Corona-Pandemie mit ihren Massnahmen, dann der grauenvolle Krieg in der Ukraine mit den vielen Opfern, den Flüchtenden und der sich daraus ergebenden Wirtschaftskrise. Und immer wieder neu gegenwärtig die Klimakrise. Überall sind wir gefordert. Wir sollen gesellschaftlich unseren Beitrag leisten und gleichzeitig müssen wir mit diesen Krisen persönlich umgehen lernen. 

Für unsere Psyche sind dabei zwei Faktoren entscheidend: Zum einen bedeutet die Kumulation von mehreren Krisen eine ausserordentliche Herausforderung. Und zum anderen kommt die Belastung hinzu, dass die Krisen nicht irgendwo auf der Welt stattfinden. Nein, wir sind als Menschen hier in der Schweiz ganz direkt betroffen. Plötzlich wird unser wohlbehüteter Alltag, unser friedliches Zusammenleben von Kräften und Mächten gestört, die wir kaum oder gar nicht beeinflussen können. 

So tritt die Frage nach unserer Resilienz, der Fähigkeit, mit Krisen zu leben, die sich nicht schnell lösen lassen, in den Vordergrund. Wie können wir innerlich stabil und kräftig sein, diesen Heraus-forderungen zu begegnen? Wie können wir Rückschläge verkraften und uns von schmerzlichen Erfahrungen erholen?  

Insbesondere Jugendliche haben während der strengen Corona-Massnahmen gelitten, wie die Medien oft berichten. Ihre Probleme finden öffentliche Aufmerksamkeit und es wird viel unternommen, sie zu unterstützen und ihre Resilienz und psychische Gesundheit zu stärken. In der Tat wurden in psychiatrischen Kliniken des Kantons neue Jugendstationen eröffnet, neue Angebote geschaffen, um diesem grossen Bedürfnis nach psychischer Hilfe zu entsprechen. Doch das reicht nicht aus.  

Bereits vor diesen Krisen der jüngeren Zeit war die Notwendigkeit psychischer Hilfeleistung für Jugendliche immens. Der Übergang ins Erwachsenenleben und darin den eigenen Platz in der Welt zu finden, ist anspruchsvoll. Dieser Prozess bindet viel Kraft und viele Ressourcen – von Jugendlichen und ihrem näheren Umfeld.  

Jugendliche sind besonders auf ein stabiles soziales Netzwerk angewiesen. Sie brauchen Personen, die ihnen Halt und im Sinne von Vorbildern Orientierung geben. Sie sind angewiesen auf Menschen, zu denen sie Vertrauen haben, bei denen sie ihre Gefühle ausdrücken können und die ihnen helfen, mit Worten auszusprechen, was in ihnen vorgeht. Viele Jugendliche finden das in ihrem Umfeld, bei ihren Familien, Freunden und Freundinnen, Lehrpersonen, Trainern und Trainerinnen. Gott sei Dank! Doch bei manchen reicht das Umfeld nicht aus.  

Die Jugendabteilung in einer psychiatrischen Klinik bietet einerseits eine klare Tagesstruktur. Dies ist ein heilsames Element, das die Resilienz der Jugendlichen stärkt und ihnen vorübergehend zu einem sozialen Netzwerk verhilft. Es ist berührend zu erleben, wie sich Jugendliche vor Ort anfreunden, sich gegenseitig stützen und füreinander da sind. Und schliesslich kann in einem solchen Setting auf individuelle Bedürfnisse der Jugendlichen eingegangen werden, so dass sie genau die Hilfe bekommen, die sie benötigen, um wieder selbständig für sich sorgen zu können. 

Es fällt auf, dass in einer psychiatrischen Jugendabteilung vieles ermöglicht wird, das vom gewohnten Umfeld der Jugendlichen zu erwarten wäre. Oder anders formuliert: Wie können wir in unserem Alltag den Jugendlichen dazu verhelfen, mit den gegenwärtigen Krisen umzugehen lernen, um im besten Fall daran zu wachsen und nicht in eine innerliche Krise abzurutschen, die zu einem psychischen Leiden wird? 

Die Kirche ist deshalb mit ihren Mitarbeitenden nicht nur in psychiatrischen Kliniken präsent, son-dern auch an Mittelschulen und Berufsbildungszentren, wo sie Beratung anbietet und triagiert. Dafür wurde neu auch eine Weiterbildung «Kinder- und Jugendseelsorge» geschaffen. In den Gemeinden können im Konfunterricht Lebens- und Beziehungsfragen thematisiert werden, und in der Jugendarbeit entstehen soziale und sichere Orte, die ein sinnvolles Mitwirken ermöglichen.  

Nehmen wir den Dank-, Buss- und Bettag zum Anlass, uns unserer persönlichen Verantwortung zu erinnern. Es ist an uns allen, der nachkommenden Generation das zu vermitteln, was sie braucht: ein stabiles soziales Umfeld, eine tragfähige Tagesstruktur, ein offenes Ohr, sinnbietende Aktivitäten. Diese Verantwortung dürfen, ja sollen wir wahrnehmen, wo immer wir mit Jugendlichen in Kon-takt kommen. So halten wir eine Hoffnung wach, die im Glauben an Gott gründet und Zuversicht für unsere Zukunft nährt.