Ideen auf den​ Boden bringen

Kirche erneuern – wie packt man das an? Und was​ erwarten die Menschen an Innovationsgeist von der​ Kirche? Für einen Expertenblick von aussen sprachen wir mit Stefan Papst dem Projektleiter bei Smart City Zürich.

Der Wille zum «Reformieren», zur stetigen Erneuerung,​ gehört zum Selbstverständnis der Reformierten.​ Eigentlich. Bei der Umsetzung hapert es dann​ bisweilen trotzdem. Erneuerung braucht immer​ auch Mut. Die Kappeler Kirchentagung​ 2023​ r​ief ​unter dem Titel «Warum eigentlich nicht?» dazu​ auf, diesen Mut vermehrt zu fassen und den Erfindergeist​ auszuleben. Die Organisatoren wollen die​ Teilnehmenden in ihren kreativen Ideen und Handlungen​ stärken. So dass die Kirche trotz des rasanten​ gesellschaftlichen Wandels relevant für die​ Menschen bleibt oder es wieder wird.

Um diesem Ziel – einem Legislaturziel​ des Kirchenrats – näher zu kommen, ist auch der​ Blick von aussen auf die Kirche wichtig. Was erwarten​ die Menschen eigentlich von der Kirche?​ Wo soll die Kirche sich erneuern? Stefan Pabst,​ Strategie- und Innovationsexperte und einer der​ Gastreferenten in Kappel, hat diesen Aussenblick.

Stefan Pabst, hätten Sie – vor der Anfrage​ als Gastreferent in Kappel – die Kirche mit​ Innovation assoziiert?

Ich habe die Kirche nicht als besondere​ Vorreiterin für Innovation wahrgenommen,​ aber doch als veränderungsfähig. Kirchen sind​ alte Institutionen, die nur deshalb so alt​ werden konnten, weil sie in der Lage waren,​ ihre zentrale Botschaft weiterzuentwickeln.​ Manchmal durch Druck von aussen, manchmal​ aus innerem Antrieb. Veränderung ist aber​ eine Konstante in der Kirche. Ob man die Kirche mit Innovation assoiiert? Vielleicht​ deshalb weniger, weil der Begriff selbst in den​ letzten Jahren von der Technologie geprägt​ war. Aber das ist zu eng gedacht. Echte​ Innovation ist vor allem das, was Mehrwert​ für die Gesellschaft bringt.

Was halten Sie vom Bild der Kirche als​ Hüterin der Tradition?

Die Kernbotschaft der Kirche ist und bleibt​ dieselbe. Das Geschäftsmodell – wenn man​ dem so sagen will – auch. Das hat etwas​ Bewahrendes. Aber Kanäle und Narrative​ haben sich auch in der Kirche laufend verändert​ und sich dem gesellschaftlichen Wandel​ angepasst.

Welche Innovationen würden Sie sich in der​ Kirche wünschen?

Innovation für die Kirche heisst, Zielgruppen​ zu erreichen und Zielgruppenansprachen zu​ erneuern. Und das geschieht durch Vernetzung​ von unterschiedlichen Menschen. Da haben wir bei Smart City für die Stadt Zürich ein​ ähnliches Innovationsverständnis: Auch für​ die Stadtentwicklung geht es darum, die für​ sich lebenden Milieus in der Stadt zu vernetzen.​ Die fragmentierte Gesellschaft in ihren​ eigenen Echokammern aufzubrechen, das​ gehört auch zu den Aufgaben der Kirche. Ich​ würde wünschen, dass die Kirche dies schafft.​ Ein Ort für gelebte Gemeinschaft sein. Es​ wäre zu einfach, das nur unter Gleichgesinnten​ zu machen. Die Kirche müsste einen​ Schritt weitergehen, eine Klammer werden für​ eine vielfältige Gesellschaft.

Welche Tipps können Sie geben?

Eine Schlüsselfrage ist: Wie bewertet man die​ Qualität der eigenen Ideen? Es gilt die Menschen​ zu fragen: Wie kommt das bei euch an?​ Das kann mühsam und aufwändig sein. Man​ ist oft verliebt in die eigenen Ideen. Feedback​ abholen – und nicht nur mit Fragebögen,​ sondern im direkten Gespräch – ist hilfreich.​ Wir zwingen uns bei Smart City auch dazu.

Was können die Kirchen zu einer innovationsfreudigen​ Stadt beitragen? Spielen sie im​ Konzept von Smart City Zürich eine Rolle?

Momentan noch nicht. Wir haben aber zu​ Beginn der Strategiesetzung verschiedene​ Interviews in der Stadt geführt – auch mit dem​ Grossmünsterpfarrer. Er kennt die Befindlichkeiten
der Bevölkerung. Ich kann mir gut​ vorstellen, dass wir die Kirchen und auch​ andere Institutionen in einem nächsten Schritt​ in diesen Prozess einbinden. Wir können​ sicher voneinander lernen.

Wie kann man Innovation wecken? Als Basisbewegung​ oder als Förderkultur von oben?

Es braucht beides: an den obersten Schalthebeln​ ein klares Bekenntnis zur Innovation,​ dann aber auch Gefässe, die die Leute aus der​ Praxis erreichen, die die konkreten Ideen haben. Die Ideen müssen von unten kommen.​ Danach braucht es die Unterstützung und​ Begleitung, um die Projekte zu realisieren und​ zu koordinieren.

Welche Erfahrungen haben Sie bei Smart City bis jetzt gemacht?

Das Schönste ist, wenn die Leute wiederkommen,​ weil sie gemerkt haben, dass ihre Ideen​ aufgenommen und realisiert wurden. Die​ Kunst ist es, Innovationen in reguläre Prozesse​ überzuführen.​ Dies gelang uns zum Beispiel​ bei der Idee, ein Monitoring der Treibhausgase​ in der Stadt zu entwickeln. Es ist​ toll, wenn man erfährt, dass eine entsprechende​ Software beschafft wird. Aber es geht nicht​ nur um die Inhalte, sondern auch um die​ gegenseitige Wertschätzung.

Interview: Christian Schenk

Stefan Papst

Stefan Papst studierte Philosophie und Physik. Er ist Projektleiter von «Smart City Zürich» und hat den Auftrag,​ in der Stadtentwicklung von Zürich​ Innovationen​ möglich zu machen.