Hexen
Hexen und Hexenprozesse sind in Zwinglis Schriften kein Thema. Im Zeitalter der Reformation machte man sich allgemein nicht allzu viel Gedanken über die Hexerei. Der berühmte „Hexenhammer“, ein Handbuch für Hexenprozesse, ist nach seiner 13. Auflage von 1520 nicht mehr gedruckt worden, bis in der zweiten Hälfte des 16. Jh. die grosse Zeit der Hexenverfolgungen einsetzte, auch in Zürich.
Trotzdem sind die Hexen beim Zürcher Reformator nicht völlig abwesend. Nur sind es bei ihm nicht heidnische Frauen, sondern Vertreter der Kirche, denen er vorwirft, mit dem Teufel im Bund zu stehen.
In der „Auslegung und Begründung der Thesen 1523“ verurteilte er die kirchliche Lehre des Fegefeuers und beschuldigte die Kirchenvertreter als Hexenmeister. Denn völlig unbiblisch sei der Brauch, gegen einen festen Preis für Tote zu bitten, um so ihre Zeit in einem angeblichen Fegefeuer zu verkürzen.
Er schrieb: „Und darum gestehe ich die Existenz eines Fegefeuers nicht zu ... Aber die Geizkragen, die eine Zeit festsetzen und sagen: ‚Soundso lang muss einer leiden‘; und die Hexenmeister, die mittels Teufelsbeschwörung zeigen, mit dieser oder jener Praxis helfe man den Toten, oder aber der Tote müsse noch lange leiden... Es ist ein Betrug, und der Teufel ist der Vater des Betrugs. Darum ist solches Handeln auch teuflisch.“
Der Vorwurf der Hexerei ist hier ein polemisches Mittel im Kampf gegen eine religiöse Praxis der Kirche.
Was Zwingli über die Hexerei im eigentlichen Sinn (Schadenzauber und Hexensabbat) dachte, lässt sich aufgrund der Quellen wahrscheinlich nicht sagen. Vielleicht hielt er von den landläufigen Hexenvorstellungen nicht sonderlich viel. Könnte man dies etwa aus der folgender Passage herauslesen, wo scheinbar von Schadenzauber die Rede ist? Der ehrbare Christ, sagt Zwingli, brauche die Exkommunikation der römischen Kirche so wenig zu fürchten, „als ob ihm eine zornige Frau die Epilepsie anwünschte, ihn zum Teufel verfluchte oder dergleichen; denn Katzengebet [Sprüche, mit denen anderen Böses gewünscht wird] geht nicht zum Altar.“
Grundsätzlich dominierten animistische Vorstellungen das Weltbild sowohl der einfachen Leute wie der Gebildeten und stellten die Grundlage für den Hexenglauben dar. Auch wenn die Natur dem Gebot Gottes unterstand, war im Kleinen vieles von guten und bösen Geistern beherrscht. Ob die Reformation diese Vorstellungswelt tatsächlich angegriffen hat, ist m.W. eine umstrittene Frage. Falls ja, wären die Hexenverfolgungen sozusagen ein Betriebsunfall im Zuge der Entzauberung der Welt, die mit der Reformation einsetzte.
Ch. Scheidegger am 14. August 2001 (bearb.)