Ja zur Härtefallkommission
Am 14. Juni 2015 entscheidet das Zürcher Stimmvolk über die Zukunft der Härtefallkommission. Eine Volksinitiative der SVP fordert ihre Abschaffung.
Die Reformierte und die Katholische Kirche im Kanton Zürich sind überzeugt, dass die Härtefallkommission dazu beiträgt, die humanitäre Tradition der Schweiz aufrechtzuerhalten bzw. ihre Glaubwürdigkeit zu stärken. Eine Aufhebung der Kommission würde in Zeiten der zunehmenden globalen Flüchtlingsströme als Zeichen gedeutet, diese Tradition und die mit ihr verbundenen Werte zu schwächen und zu untergraben. Eine Migrationspolitik, die dem christlichen Menschenbild verpflichtet ist und die Würde des Einzelnen achtet, ist bestrebt, jedem Individuum Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Kirchen unterstützen deshalb die Beibehaltung der Härtefallkommission und lehnen die Initiative zu ihrer Abschaffung ab.
Die Zürcher Härtefallkommission wurde 2009 vom Regierungsrat eingesetzt. Im Nachgang zur Besetzung der Predigerkirche in Zürich 2008/2009 hatte sich der Kirchenrat der reformierten Landeskirche für die Bildung der Kommission engagiert. Sie besteht aus neun Mitgliedern und begutachtet Härtefallgesuche von abgewiesenen Asylbewerberinnen und -bewerbern («Sans Papiers»), welche die Schweiz aufgrund eines abschlägigen Entscheids verlassen müssen. Die Kommission fällt allerdings selber keine Entscheide, sondern gibt lediglich eine Empfehlung gegenüber dem Sicherheitsdirektor ab.
Die Härtefallkommission hat in der Zeit ihres Bestehens gute Arbeit geleistet. Und sie hat bewiesen, dass sie gegenüber dem Migrationsamt, das die Härtefallgesuche zuerst prüft, weder ein «Abnicker-Gremium» ist noch eine Instanz, die aus politischen Motiven in permanenter Opposition verharrt. In den seit Bestehen der Kommission beurteilten rund 240 Fällen hat die Kommission die negative Empfehlung des Migrationsamts mehrheitlich bestätigt. Nur in durchschnittlich einem von sechs Fällen kam sie entgegen der Einschätzung des Amtes zur einer positiven Empfehlung. Aufgrund dieser Zurückhaltung besteht kein Grund zur Befürchtung, aufgrund der Kommission würden Hunderte von abgewiesenen Asylsuchenden in der Schweiz bleiben.
Eine gesetzliche Norm, die eine Vielzahl von Fällen erfassen muss, kann dem einzelnen Fall nie gerecht werden. Es entspricht daher dem Gebot der Billigkeit, den Besonderheiten Rechnung zu tragen, die für die Bewertung einer einzelnen Situation wesentlich sind. Es versteht sich dabei von selber, dass die Berücksichtigung von Aspekten wie Zumutbarkeit oder Verhältnismässigkeit eine Frage des Abwägens ist. Ob es sich im Einzelfall um einen Härtefall handelt oder nicht, liegt also im Ermessen der beurteilenden Instanz. Für die Betroffenen sind solche Entscheide jedoch von existenzieller Tragweite. Umso wichtiger ist daher, dass die einzelnen Fälle sorgfältig und umfassend beurteilt werden und dass dafür trotz des Anspruchs auf Effizienz der nötige zeitliche Rahmen zur Verfügung steht. Dem Migrationsamt, das gute Arbeit leistet, ist weder das eine noch das andere abzusprechen. Aufgrund der möglicherweise gravierenden Folgen eines (Fehl-)Entscheids und der damit verbundenen Verantwortung ist es jedoch mehr als gerechtfertigt, in diesem Bereich auf das «Mehraugenprinzip» zu setzen. Besonders sensibel sind Fälle, in die Kinder involviert sind. Die Härtefallkommission hat deshalb ein besonderes Augenmerk auf die Situation von eingeschulten Kinder von «Sans Papiers».
Die Mitglieder der Härtefallkommission stammen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, sind mit dem Migrations- und Asylwesen vertraut oder verfügen über eine juristische Ausbildung. Sie vertreten u.a. kirchliche Körperschaften und Hilfswerke, stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit den Rechtsvertretungen von Asylsuchenden. Die unterschiedliche berufliche Herkunft und die zeitlichen Ressourcen ermöglichen es, einen Einzelfall umfassend, d.h. in Würdigung aller relevanten Umstände adäquat zu beurteilen. Eine Empfehlung der Härtefallkommission gewährleistet somit, dass alles Erdenkliche berücksichtigt und bedacht wurde, um einem einzelnen Schicksal gerecht zu werden bzw. Ungerechtigkeit und Willkür zu vermeiden.
Es ist diese umfassende und unabhängige Beurteilung, die das Vertrauen der Zürcher Bevölkerung in die Umsetzung des Asylrechts bzw. in die entsprechende Praxis gestärkt hat. Dass die Härtefallkommission daran erheblichen Anteil hat, zeigt sich schon dadurch, dass sich die Diskussionen rund um die «Sans Papiers» seit ihrer Einsetzung beruhigt und versachlicht haben. Es ist mutwillig, diese positive Entwicklung ohne ersichtliche Notwendigkeit aufs Spiel zu setzen. Regierungsrat und Kantonsrat lehnen die Initiative daher ebenfalls ab.