Kirchentagung zu Innovation: Ideen auf den Boden bringen
Der Wille zum «Reformieren», zur stetigen Erneuerung, gehört zum Selbstverständnis der Reformierten. Eigentlich. Bei der Umsetzung hapert es dann bisweilen trotzdem. Erneuerung braucht immer auch Mut. Die diesjährige Kappeler Kirchentagung ruft mit dem Titel «Warum eigentlich nicht?» dazu auf, diesen Mut vermehrt zu fassen und den Erfindergeist auszuleben. Die Organisatoren wollen die Teilnehmenden in ihren kreativen Ideen und Handlungen stärken. So dass die Kirche trotz des rasanten gesellschaftlichen Wandels relevant für die Menschen bleibt oder es wieder wird.
Um diesem Ziel – es ist auch ein Legislaturziel des Kirchenrats – näher zu kommen, ist auch der Blick von aussen auf die Kirche wichtig. Was erwarten die Menschen eigentlich von der Kirche? Wo soll die Kirche sich erneuern? Stefan Pabst, Strategie- und Innovationsexperte und einer der Gastreferenten in Kappel, hat diesen Aussenblick. Er hat beruflich täglich mit Innovation zu tun. Als Mitarbeiter der Zürcher Stadtverwaltung und Projektleiter bei «Smart City Zürich», hat er den Auftrag, in der Stadtentwicklung von Zürich Innovationen möglich zu machen.
Stefan Pabst, hätten Sie – vor der Anfrage als Gastreferent in Kappel – die Kirche mit Innovation assoziiert?
Ich habe die Kirche nicht als besondere Vorreiterin für Innovation wahrgenommen, aber doch als veränderungsfähig. Kirchen
sind alte Institutionen, die nur deshalb so alt werden konnten, weil sie in der Lage waren, ihre zentrale Botschaft weiterzuentwickeln. Manchmal durch Druck von aussen, manchmal aus innerem Antrieb. Veränderung ist aber eine Konstante in der Kirche. Ob man die Kirche mit Innovation assoziiert? Vielleicht deshalb weniger, weil der Begriff selbst in den letzten Jahren von der Technologie geprägt war. Aber das ist zu eng gedacht. Echte Innovation ist vor allem das, was Mehrwert für die Gesellschaft bringt.
Was halten Sie vom Bild der Kirche als Hüterin der Tradition?
Die Kernbotschaft der Kirche ist und bleibt dieselbe. Das Geschäftsmodell – wenn man dem so sagen will – auch. Das hat etwas Bewahrendes. Aber Kanäle und Narrative haben sich auch in der Kirche laufend verändert und sich dem gesellschaftlichen Wandel angepasst.
Welche Innovationen würden Sie sich in der Kirche wünschen?
Innovation für die Kirche heisst, Zielgruppen zu erreichen und Zielgruppenansprachen zu erneuern. Und das geschieht durch Vernetzung von unterschiedlichen Menschen. Da haben wir bei Smart City für die Stadt Zürich ein ähnliches Innovationsverständnis: Auch für die Stadtentwicklung geht es darum, die für sich lebenden Milieus in der Stadt zu vernetzen. Die fragmentierte Gesellschaft in ihren eigenen Echokammern aufzubrechen, das gehört auch zu den Aufgaben der Kirche. Ich würde wünschen, dass die Kirche dies schafft. Ein Ort für gelebte Gemeinschaft sein. Es wäre zu einfach, das nur unter Gleichgesinnten zu machen. Die Kirche müsste einen Schritt weitergehen, eine Klammer werden für eine vielfältige Gesellschaft.
Welche Tipps können Sie geben?
Eine Schlüsselfrage ist: Wie bewertet man die Qualität der eigenen Ideen? Es gilt die Menschen zu fragen: Wie kommt das bei euch an? Das kann mühsam und aufwändig sein. Man ist oft verliebt in die eigenen Ideen. Feedback abholen – und nicht nur mit Fragebögen, sondern im direkten Gespräch – ist hilfreich. Wir zwingen uns bei Smart City auch dazu.
Was können die Kirchen zu einer innovationsfreudigen Stadt beitragen? Spielen sie im Konzept von Smart City Zürich eine Rolle?
Momentan noch nicht. Wir haben aber zu Beginn der Strategiesetzung verschiedene Interviews in der Stadt geführt – auch mit
dem Grossmünsterpfarrer. Er kennt die Befindlichkeiten der Bevölkerung. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir die Kirchen
und auch andere Institutionen in einem nächsten Schritt in diesen Prozess einbinden. Wir können sicher voneinander lernen.
Wie kann man Innovation wecken? Als Basisbewegung oder als Förderkultur von oben?
Es braucht beides: an den obersten Schalthebeln ein klares Bekenntnis zur Innovation, dann aber auch Gefässe, die die Leute aus
der Praxis erreichen, die die konkreten Ideen haben. Die Ideen müssen von unten kommen. Danach braucht es die Unterstützung und Begleitung, um die Projekte zu realisieren und zu koordinieren.
Welche Erfahrungen haben Sie bei Smart City bis jetzt gemacht?
Das Schönste ist, wenn die Leute wiederkommen, weil sie gemerkt haben, dass ihre Ideen aufgenommen und realisiert wurden. Die Kunst ist es, Innovationen in reguläre Prozesse überzuführen. Dies gelang uns zum Beispiel bei der Idee, ein Monitoring der Treibhausgase in der Stadt zu entwickeln. Es ist toll, wenn man erfährt, dass eine entsprechende Software beschafft wird. Aber es geht nicht nur um die Inhalte, sondern auch um
die gegenseitige Wertschätzung.●
Die Stadt Zürich auf Innovationskurs
Smart City Zürich steht für Innovation in der Stadtverwaltung Zürich. Durch Testen, Lernen und Fördern von innovativen Vorhaben nutzt Smart City Zürich den digitalen Wandel als Chance für die Stadt. Ziel ist es, die Lebensqualität zu erhalten und auszubauen, die nachhaltige Entwicklung zu fördern und Zürich als Innovations- und Wirtschaftsstandort zu stärken.
Kappeler Kirchentagung
An fünf Wochenenden (von Januar bis April) sind Behördenmitglieder und Mitarbeitende aus allen Kirchgemeinden zu Austausch und Zusammenarbeit zum Thema Innovation eingeladen. Das Thema stösst auf grosses Echo. Es werden insgesamt über 500 Teilnehmende erwartet.