Gallerie
Im vollbesetzten Grossmünster, in Anwesenheit zahlreicher Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur sowie weiterer Kirchen und Religionsgemeinschaften wagten Kirchenratspräsident Michel Müller und Generalvikar Josef Annen anstelle einer klassischen Predigt einen gehalt- und humorvollen Dialog über die Bedeutung der Bibel vor, während und nach der Reformation und bis heute. Quasi als Stichwortgeberin kam die Bibel dabei sogar selber zu Wort.Durchaus selbstkritisch, aber auch selbstbewusst reflektierten Müller und Annen in auch persönlich gefärbten Noten die Unterschiede der Traditionen, um am Ende einmal mehr hoffnungsvoll und zuversichtlich feststellen zu können, dass den beiden Kirchen heute viel mehr gemeinsam ist, als was sie noch trennt. Das letzte Wort aber hatte die Bibel, die – das Motto des Gottesdienstes aufnehmend – deklamierte: «Und stellt mein Licht nicht unter den Scheffel, sondern lasst mich leuchten, als Licht auf dem Weg.»Vor dem Hintergrund des ökumenischen Miteinanders war es darum auch kein Zufall, dass der offizielle Festgottesdienst zu «500 Jahre Reformation in Zürich» in der Gebetswoche für die Einheit der Christen stattfand. Bettina Lichtler, Ökumene-Beauftragte der reformierten Landeskirche, wies darauf hin, dass die Reformation zwar Vieles bewirkt, aber auch gespalten und verwundet habe. In Zürich sei über lange Zeit keine anderen Glaubensüberzeugung als die reformierte geduldet gewesen; Andersgläubige seien vertrieben, verfolgt und getötet worden.So war es denn auch stimmig, dass die Fürbitten von Vertreterinnen und Vertretern anderer Religionsgemeinschaften gelesen wurden, die heute in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen im Kanton Zürich zusammengeschlossen sind – insbesondere auch aus der Täufergemeinde, deren Vorfahren die Zürcher Obrigkeit unter Billigung Zwinglis vor 500 Jahren unnachgiebig verfolgt hatte.Im Anschluss an den Gottesdienst fand im Kulturhaus Helferei die Vernissage der erweiterten Ausgabe der Zürcher Bibel mit den sogenannt deuterokanonischen Schriften statt. Michel Müller wies während des Gottesdienstes darauf hin, dass man «in einer Art reformatorisch-humanistischem Übereifer» auf reformierter Seite diejenigen Bücher des Alten Testaments aus der Bibel geworfen hätte, die im Original nicht hebräisch geschrieben waren. Mit der neuen Zürcher Bibel würde darum ab jetzt eine fast vollständig ökumenische Ausgabe vorliegen.Wer die Bibel lieber grad selber herstellen wollte, konnte im Chor des Grossmünsters auf einer nachgebauten mittelalterlichen Gutenberg-Presse einzelne Bibelseiten zu drucken. Auch die Musikfreunde kamen auf ihre Kosten – entweder schon im Gottesdienst, in dem mehrere Chöre und Vokalensembles mitwirkten, oder dann beim anschliessenden offenen Singen in der Wasserkirche. Und nicht zuletzt fanden auf dem Zwingliplatz auch der Mittelalter-Mushafen und der Glühwein, die für das leibliche Wohl sorgten, regen Zuspruch.