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Heitere Geschichten via Telefon

Ref. Kirche Männedorf

Dem November-Blues fröhliche Momente entgegen zu setzen ist das Anliegen der ref. Kirche Männedorf. Dafür fragt sie ältere Menschen im Ort nach heiteren, kurzen Geschichten aus dem Leben. Manche sprechen etwas aufs Band, andere schreiben es nieder. Aus dieser Sammlung werden ein Anrufbeantworter und die Kirchgemeinde-Webseite gespeist. So kann, wer will, täglich einen Schwank hören. - Pfarrer Achim Kuhn erzählt:


Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Ende Oktober kam mir eine solche Aktion für den November in den Sinn. Wir Pfarrpersonen wissen, dass dieser Monat für viele eine schwierige Zeit ist. Vor allem bei Senioren besteht gerade jetzt coronabedingt die Gefahr, dass sie in soziale Isolation geraten. Zu wenige erkundigen sich nach ihnen; ihr Wissen und ihre Erfahrung ist scheinbar nichts wert. Das verstärkt das Trübsal. Dem wollte ich etwas entgegen setzen. Es tut Menschen gut, Fröhliches zu hören. Es regt sie an, sich selbst an Fröhliches zu erinnern. Und - schwupps - zaubert es vielen doch ein Lächeln aufs Gesicht.

Was hat es gebraucht, um die Idee umzusetzen?

Im Krisenstab, dessen Leitung ich innehabe, habe ich die Kirchenpflege informiert. Alle waren positiv angetan. Meine Pfarrkollegin, unser Sozialdekan und unser Kirchgemeindeschreiber haben bereitwillig mitgeholfen beim Sammeln und bei der technischen Aufbereitung der Geschichten. Gerade investiere ich etwa zwei Stunden wöchentlich in das Projekt; vermutlich meine Pfarrkollegin Marjoline Roth fast noch einmal so viel. Das technische Equipment - zwei weitere Anrufbeantworter, die wir im Lockdown angeschafft hatten, Handy und Computer - waren parat. Unser Kirchgemeindeschreiber Andreas Müller hat die Technik übernommen. Das "kostet" ihn derzeit ca. eine Arbeitsstunde in der Woche. Der Materialaufwand und die investierte Arbeitszeit sind also überschaubar.

Wir haben zunächst eine Liste von älteren Menschen gemacht, von denen wir annahmen, dass sie gerne mitmachen würden. Dank Mund-zu-Mund-Propaganda, dem Flyer (PDF) und der Unterstützung des Personals in den Seniorenheimen ist diese Liste nach und nach gewachsen. Unsere Vorgaben an Geschichten waren minimal: Es sollte etwas selbst erlebtes, Heiteres von maximal vier Minuten Erzähl-Länge sein. Wir entschieden uns, möglichst wenig redaktionell einzugreifen. So bleibt der Erzählstil authentisch. Nicht zuletzt ist es auch ein Zeichen der Wertschätzung.

Dass die Geschichten etwas Religiöses erzählen, war keine unserer Vorgaben. Neben dem diakonischen Aspekt sehe ich es per se bereits als etwas Christliches an, Fröhliches in dieser trüben Zeit zu verbreiten. Denn wir leben ja aus der "frohen Botschaft" - das muss dann auch spür- bzw. hörbar sein. Einige Anektdoten sind mehr für einen Sonntag geeignet als andere. Entsprechend datieren wir sie auch auf dem Anrufbeantworter und der Webseite.

Fast alle, die wir angefragt haben und noch andere, die sich selbst gemeldet haben, haben es sehr gerne gemacht. Nach einem anfänglichen "Mir fällt nichts ein" sprudeln häufig die Ideen. Wir erleben jedoch mitunter eine grosse Bescheidenheit unter den älteren Personen und die Frage: "Traue ich mir das zu". Manche senden Geschichten ein. Zu anderen gehen wir hin, um sie im O-Ton aufzunehmen, wiederum andere kommen dazu in unser Büro. Eine Frau war allein schon ganz glücklich, weil sie vorher wochenlang mit niemandem gesprochen hatte.

Wen und wie viele haben Sie erreicht, welches Echo gab es?

Bisher haben wir etwa dreissig Beiträge gesammelt. Deshalb werden wir die Aktion im Januar fortsetzen. Die Beiträge kommen von Menschen zwischen 65 und 95 Jahren, unter ihnen sind leicht mehr Frauen als Männer. Viele sind alteingesessene Männedörfler.

Wir haben am 9. November gestartet. Seither zählte der Anrufbeantworter durchschnittlich dreissig Anrufe am Tag. Allerdings: Die effektiven Zahlen liegen etwas höher; zählen scheint nicht die Stärke unseres Geräts zu sein. Die Angestellten der Seniorenheime machen ebenfalls auf die Möglichkeit aufmerksam, den Anrufbeantworter oder die Webseite abzuhören.

Ich vermute, dass alle, die mitmachen, positive Reaktionen aus ihrem Umfeld bekommen. Mitunter wird mir zugetragen, dass die eine oder andere Geschichte besonders gut angekommen ist. Und grundsätzlich ist der Tenor, dass vor allem die älteren Menschen glücklich über die Anregung sind, selbst auch über fröhliche Erinnerungen nachzudenken.

Was nehmen Sie daraus mit für die Nach-Corona-Zeit?

Wir merken, wie gut es Menschen tut, so oder in ähnlicher Weise über ihr Leben zu reflektieren. Deshalb möchten wir gerne kommenden Frühling einen biographischen Schreibkurs lancieren. Vielleicht mit vier Vormittagen im Gemeindehaus. Am ersten Vormittag gibt es eine Einführung, am zweiten geben wir Zeit und Raum zum Schreiben, am dritten stellt eine Person ihre Biographie vor und am vierten kann, wer mag, das präsentieren, was er oder sie bis dahin zu Hause geschrieben hat. An der Idee feilen wir noch etwas herum.

Was raten Sie anderen Kirchgemeinden, die nun gerne ähnliches initiieren würden?

  • Das Projekt ist besonders gut für dörfliche Strukturen geeignet. Fangen Sie mit ein paar Namen von Personen an, von denen Sie meinen, dass sie gerne und gut erzählen können und welche etwas bekannter im Dorf sind.
  • Geben Sie diesen nur wenige Vorgaben.
  • Zudem sollten Sie jemand für die technische Umsetzung zur Hand haben.

Für Fragen steht Achim Kuhn, Pfarrer gerne zur Verfügung: a.kuhn@ref-maennedorf.ch

Webseite "Heiterer November" (Ab Januar: "Heiterer Januar")

Nummer des Anrufbeantworters: 044 921 50 10